Den richtigen User, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort mit der richtigen Botschaft – nirgends greift dieses Targeting-Mantra mehr als im Local Advertising, dem lokalen Marketing. Eigentlich. Dennoch bleiben viele Chancen ungenutzt. Dabei hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Datenfülle und Programmatic Advertising bieten Werbetreibenden völlig neue Möglichkeiten der lokalen Ansprache.
Die Mehrzahl der Deutschen haben ihr Smartphone regelmäßig beim Offline-Shopping im Einsatz, suchen nach Öffnungszeiten, prüfen Produktbewertungen oder suchen Filialen in der Nähe. Seit Jahren belegen dies immer wieder unterschiedlichste Studien und geben dem stationären Handel Ratschläge an die Hand, um diese suchende Käuferschaft über verschiedene Kanäle für sich zu gewinnen und mit entsprechenden Angeboten zu überzeugen. Bislang dominierte in der Diskussion jedoch allzu oft die Reaktivität: Der Kunde sucht, der Werbetreibende liefert einen Gutschein, ein Angebot oder Informationen zu Öffnungszeiten. Proaktive, lokale Werbeansprache hingegen war bislang Mangelware. Die gelebte lokale Werbung fand im Suchmaschinenmarketing und Display-Werbung statt oder als Mediabuchung in der regionalen Tageszeitung.
Es geht auch anders
Das sogenannte Geofencing, also die Möglichkeit User in einem bestimmten lokalen Radius gezielt anzusprechen, hat in den letzten Jahren noch nicht die vielfach erwartete Breitenakzeptanz erfahren. Vielen Händlern war der technische Aufwand zu hoch, die Umsetzung zu komplex und demgegenüber der Nutzen nicht hoch genug. Und zum Teil ist diese Einschätzung auch nachvollziehbar. Wer vor seinem geistigen Auge die Menge an Line Items sieht, die es für eine lokale programmatische Kampagne einzurichten gilt, der hinterfragt schon vor Beginn einer Kampagne die Kosten-Nutzen-Relation. Zu Recht. Doch hat sich mit der Emanzipation des Programmatic Advertising hier in den letzten Jahren einiges getan.
Eine Handelskette von 100 Händlern mit jeweils eigenen Budgets muss nicht mehr für jeden Händler und jedes Produkt und jeden Preis einen Line Item in der Demand Side Platform (DSP) anlegen, sondern kann heute alles per Bulk-Upload als Excel hochladen. Die Argumente Aufwand und Komplexität schwinden mehr und mehr. Was bleibt, sind verpasste Gelegenheiten.
Die Datengrundlage ist da
Das Targeting von Verbrauchern basierend auf Nutzerdaten ist für die gesamte Adtech-Branche längst gängige Praxis. Verbraucherinformationen werden gesammelt und erhoben, wo es geht, wo es erlaubt ist und (hoffentlich nur da,) wo es Sinn macht. Und nicht nur über das Browsing werden diese Datenschätze generiert, sondern auch über das Smartphone, in Form von individuellen Bewegungsdaten. Die meisten Verbraucher sind sich dessen durchaus bewusst und wünschen sich auch ein gewisses Maß an personalisierter Ansprache; schließlich möchte kaum ein Hamburger Werbeanzeigen für Geschäfte in Bremen sehen.
Neben der technischen Vereinfachung des Kampagnen-Setups hat sich in jüngster Zeit aber auch nochmal die Qualität der zugrundeliegenden Daten verbessert. Sei es die Verlässlichkeit von 2nd-Party-Daten oder das Vertrauen in 3rd-Party-Daten. Die Datenschutzgrundverordnung hat hier einen reinigenden Prozess angestoßen, von dem gerade auch das programmatische lokale Advertising profitiert.
Die Kunst liegt darin, die Daten und teils unterschiedliche Technologien so zusammenzubringen, dass lokales Marketing gelebte Realität wird.
Beispiel Telekommunikationsanbieter
Ein großer Telekommunikationsanbieter entwickelte gemeinsam mit Adform im Spätsommer 2018 eine sehr zielgerichtete, mobile Kampagne, die potenzielle Kunden erreichen aus Gebieten mit unzureichender Festnetzabdeckung erreichen sollte. Diesen sollte ein Produkt angeboten werden, mit dem sie sich auch ohne DSL- oder Kabelverbindung mit dem Internet verbinden konnten. Die Strategie war also, von der Verwendung traditioneller soziodemographischer Daten als Grundlage wegzukommen, hin zu einer ausgefeilten datengesteuerten Kampagne, die von der Adform-Technologie und sowie mobilen Daten von Adsquare angetrieben und optimiert wurde. Der Telekommunikationsanbieter definierte die Erfolgsfaktoren dieses Briefings wie folgt: Erhöhte Besucherzahlen in den Filialen und Wachstum des Online-Traffics im Online-Shop. Die potenziellen Kunden wurden in verschiedene Kategorien eingeteilt und mit Hilfe von In-App Mobile Ads gezielt angesprochen.
In Zusammenarbeit mit Adform und Adsquare wurden im Verlauf drei Geodatenquellen nutzen, um die richtige Zielgruppe anzusprechen. Dazu gehörten deutsche Postleitzahlen, eine hohe LTE-Mobilfunkverbindung in der entsprechenden Region des Users und eine niedrige Festnetzgeschwindigkeit ebenda.
Anhand von Hintergrund-Standortdaten wurde die Bewegung der Benutzer, die der Anzeige ausgesetzt waren, mit einer Testgruppe verglichen, die die Anzeige nicht gesehen hatten. Für die angesprochene Zielgruppe verzeichnete der Telekommunikationsanbieter eine fünfmal höhere Besucherfrequenz in den unternehmenseigenen Läden.
Lokales Marketing braucht Datenkreativität
Dieses Beispiel ist eines von vielen. Es zeigt eindrücklich, wie vorhandene Daten clever kombiniert werden können, um die Zielgruppe oder den lokalen Bedarf möglichst genau einzugrenzen, um hier dann den Zaun ziehen zu können, innerhalb dessen Grenzen der User angesprochen wird.
Ein Softdrink-Hersteller könnte sich beispielsweise zusätzlich seine eigenen Verkaufszahlen anschauen, um zu eruieren, in welchen Regionen die Umsätze hinterherhinken. Sind diese Bereiche einmal identifiziert, können User dort gezielt angesprochen werden. Sind es mehrere Regionen und vielleicht sogar unterschiedliche Brausen mit schlechten Verkaufszahlen, können die Banner via Geo-Targeting dynamisch an die jeweilige Region, die Brause und sogar einzelne Points of Sale angepasst werden.
Eine Supermarktkette könnte seinen einzelnen Händlern die Möglichkeit geben, je nach Einzugsgebiet des Supermarktes – Geofencing par excellence – bestimmte Produkte im jeweiligen Laden zu bewerben. Und wer jetzt sagt,“ ja, aber Supermärkte liefern doch mittlerweile auch nach Hause, lohnt hier dann überhaupt der Aufwand?“ dem sei gesagt: Der Händler verdient immer mehr, wenn der Kunde in den Laden kommt, denn hier steigt die Chance auf Impulskäufe.
Ein Automobilhersteller auf der anderen Seite, könnte Daten aus dem Auto-Konfigurator auf der eigenen Webseite zur Hand nehmen, um dann gezielt den Sprung zu den lokalen Usern zu schaffen, die das Auto auch kaufen sollen. Neben lokalen Branding-Maßnahmen können hier dann wiederum lokale Besonderheiten oder Aktionen von Händlern vor Ort mit aufgenommen werden.
Egal ob Versicherung, Autowerkstatt, Franchisenehmer, Bank oder Telekommunikationsanbieter – der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Die Frage ist immer, welche Daten und welches lokale Wissen habe ich zur Hand und wie kann ich es nutzen. Und damit haben wir längst die reaktive Welt von „Kunde sucht, Unternehmen liefert Werbung“ verlassen.
Viel mehr als nur Smartphone
Natürlich hört lokales Advertising nicht beim Smartphone auf, sondern bietet über die verschiedensten Kanäle Möglichkeiten, die Zielgruppen zu erreichen. Digitale Out-of-Home (DOOH)-Screens arbeiten längst nicht mehr mit großen Belegungsgebieten, sondern lassen sich lokal aussteuern, um zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten zu werben – etwa zur Rush Hour an bestimmten U-Bahn Stationen.
Lokales Storytelling kann so auch seinen Anfang auf einem DOOH-Screen nehmen und dann mobil oder auf dem Desktop fortgeführt werden. Selbst lokale Radiosender können so ihren Weg in den programmatischen Kanal-Mix finden.
Ansprechen, wo das Bedürfnis besteht
Ich kann jeden Werbetreibenden nur ermutigen, das Thema lokales Advertising proaktiv anzugehen und sich nicht mehr auf die (lokale) Suche des Kunden nach Filialen oder Produktbewertungen zu verlassen. Sprechen Sie Ihre Zielgruppe proaktiv an, wenn sie vor Ort ist. Seien Sie kreativ und nutzen Sie die zur Verfügung stehenden Daten. Und bedienen Sie sich der zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle. Das Argument der Komplexität und des technischen Aufwands haben die Entwicklungen der letzten Jahre im Programmatic-Markt entkräftet. Packen wir es an!
Boris Kurschinski
Vice President DACH bei Adform
Boris.Kurschinski@adform.com