Abstract:
Die Werbebranche steht vor einem Paradigmenwechsel. Nachdem Nutzer:innen eine Vielzahl ihrer Daten im Internet preisgeben mussten, erhalten sie nun schrittweise die Hoheit über ihre Informationen zurück. Werbetreibende und Mobile AdTech-Anbieter müssen schleunigst umdenken. Francois Roloff erklärt, welche Potenziale sich dabei für Advertiser und Publisher auftun, und wie transparentes, nutzerfreundliches und effizientes Targeting aussehen kann.
Die Werbebranche befindet sich inmitten einer Korrekturphase gewohnter Datenstrategien. Tracking- und Targetingprozessen wurden in den vergangenen Jahren immer neue Riegel vorgeschoben. Die Abschaffung von Third Party Cookies steht bevor, auch wenn Google ihr Ablaufdatum regelmäßig nach hinten verschiebt. Das Mobile- und App-Marketing, weitestgehend verschont von Diskussionen um eine “Cookiekalypse”, weil fokussiert auf Geräte ID's, muss ebenfalls alternative Wege der gezielten und personalisierten Nutzer:innenansprache finden. Regelungen Apples bezüglich der Verwendung der Identity for Advertisers (IDFA) für Werbezwecke und der Einführung des App Tracking Transparency Frameworks (ATT) sind deutlich strenger geworden und eine ähnliche Entwicklung ist auch in Googles Play Store zu erwarten. Durch die Änderungen erlangen Nutzer:innen Stück für Stück die Hoheit über ihre Daten zurück – eine gute und richtige Entwicklung. Doch was für Konsument:innen mehr Privatsphäre, Sicherheit und Schutz der eigenen Daten bedeutet, birgt für Marketer neue Herausforderungen und die Gefahr, Werbung vielfach vorbei an individuellen Interessen auszuspielen.
Neue Spielregeln wecken kreative Lösungen
Gerade in solchen Situationen bietet sich die Chance umzudenken und mit effektiven Lösungen zu antworten. Wer auch in Zukunft personalisierte Werbung an konkrete Zielgruppen aussteuern will, muss effiziente, datenschutz- und nutzerfreundliche Tracking- und Targeting-Alternativen losgelöst von Cookies, IDFA und Co. entwickeln und etablieren. Ein präzises Bild zu Nutzer:innen und/oder Audiences liefern beispielsweise Login-Daten. Insight-basierte Strategien, die auf der Analyse von Zero- und First-Party-Daten beruhen, spielen eine immer größere Rolle im Wettbewerb um die optimale Customer Experience, sie lösen jedoch nicht das allgemeine Problem der Adressierbarkeit potenziell neuer User oder Käufer:innen und des Retargetings.
Das Digital Advertising wird dieser Schwierigkeit schon heute (und zukünftig noch häufiger) durch eine Kombination aus Kontext, Semantik, Umgebung und Echtzeitanalyse als Grundlage User-relevanter Werbung gerecht. Entscheidend für die Relevanz und die Attraktivität eines Ads ist der Moment seiner Rezeption, genau wie die Affinität eines Users zu einem bestimmten Produkt oder einer Marke. Die Konsequenz dieses Ansatzes ist eine Verlagerung hin zu einer Marketing-Technologie, die Informationen aus dem direkten Umfeld des Users erkennt und eine Echtzeit-Optimierung und Automatisierung digitaler Kampagnen erlaubt. So können Zielgruppen individuell zur passenden Zeit am passenden Ort erreicht und in Momenten größtmöglicher Affinität angesprochen werden. Je größer die Affinität, desto größer die Werbewirkung. Für den Kampagnenerfolg ist daher eine präzise Interpretation der Nutzungssituation entscheidend. Prädestiniert, um relevante produkt- oder markenaffine Momente zu erkennen, ist das Mobile Advertising. Schließlich leben wir in einer mobile-zentrierten Welt, in der immerhin 80 Prozent aller User ihr Smartphone ständig zur Hand haben.
Aber wie genau kann eine solche Nutzungssituation erkannt werden? Und wie werden Marketing-Kampagnen auf eben solche Situationen abgestimmt?
Der Audio-Schlüssel zum Kampagnenerfolg
Die Nutzungssituation, beziehungsweise der Nutzungskontext, kann mittels Metadaten, wie beispielsweise dem geografischen Standort oder Wetterdaten , rekonstruiert werden. Allgegenwärtig und daher ebenso vielversprechend sind aber auch Audiodaten und Sounds, ob vom Mobile Device selbst oder aus dem Radio, Fernsehen oder anderen Kanälen, die als relevante Informationsträger für die Affinität einzelner Mobile User genutzt werden können.
Hier kommt die Audio Content Recognition-Technologie (ACR) ins Spiel. ACR ermöglicht das Erkennen und Verarbeiten von Audiosignalen in Echtzeit. Dazu extrahiert das Mobile Device eine kurze Sequenz, einen einzigartigen Audio-Schlüssel, welcher in Echtzeit beim erneuten Abspielen wiedererkannt wird. Dabei kann das Device nur auf den externen Trigger, also die entsprechende Sequenzdatei reagieren, weil es durch einen bestimmten Audio-Content oder eine Watermark (eine Sequenzdatei, die nur technisch triggert) angesprochen wurde – das Smartphone hört nicht mit.
„Indem Audio-Signale für das mobile Targeting nutzbar werden, sind sie ein wesentlicher Baustein dafür, Nutzer:innen in ihrer Umgebung besser zu verstehen und gezielt im richtigen Moment anzusprechen."
Indem Audio-Signale für das mobile Targeting nutzbar werden, sind sie ein wesentlicher Baustein dafür, Nutzer:innen in ihrer Umgebung besser zu verstehen und gezielt im richtigen Moment anzusprechen.
Mehr Spielraum für innovatives Mobile Marketing
Jede Musik, jedes Video, jeder TV-Spot und jeder Jingle kann auf eine individuelle Sequenz heruntergebrochen werden. Man versteht solche Sequenzen auch als Audio-Key oder Audio Schlüssel, der AdServing Technologie immer dann triggert, wenn er aus entsprechenden Datenfeeds oder Broadcasts erkannt wird. Daraus ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, vor allem im Hinblick auf eine wirkungsstarke Verknüpfung von On- und Offline-Kanälen. Bedenkt man, dass in etwa 50 Prozent beim Fernsehen durch Apps scrollen und etwa 86 Prozent der Fernsehzuschauenden das Mobile Device als zweiten Bildschirm nutzen, ist eine Verknüpfung naheliegend. Durch das Wiedererkennen des Spots in Echtzeit ermöglicht ACR Advertisern die Synchronisation ihres TV-Spots mit der mobilen Ausspielung, um ein ganzheitliches Werbeerlebnis zu schaffen und ihre Botschaften im einheitlichen Look-and-Feel synergetisch über beide Kanäle hinweg zu verstärken. Oder aber sie profitieren von TV-Momenten der Konkurrenz und lösen thematisch passende Content-Empfehlungen aus.
Diese Guerilla-Effekte können auch für Search Ads forciert werden. Ein Beispiel: Es gibt aktuell eine große Bandbreite an Schmerzmitteln auf dem Markt, aber nur wenige sieht der Zuschauende im TV.
Dank der ACR-Technologie kann zum Zeitpunkt der Spot-Ausspielung im TV parallel auf dem Second Screen eine AdWords Kampagne eines Konkurrenzproduktes mit benutzerdefinierten Nachrichten und/oder erhöhten Bids ausgespielt werden. Eine stärkere Affinität als im Moment der Online-Produktsuche darf man sicher lange suchen. Innerhalb dieses Zeitfensters gewinnt der Advertiser so alle den Keywords entsprechenden Suchanfragen des Users für sich.
Mittels Kontextualisierung, Affinitätsmomentum und Konkurrenztargeting gelangt so die eigene Kampagnenperformance auf das nächste Effizienz-Level digitaler Kundenmaßnahmen.
Shopping-Tipps am Point of Sale
Das Potenzial für Audio-Technologien ist dabei noch längst nicht ausgeschöpft. ACR ermöglicht, Botschaften sowohl auf den optimalen Zeitpunkt als auch individuell auf den jeweiligen Standort ihrer Ausspielung anzupassen und so ein relevantes Werbeerlebnis für Kund:innen zu garantieren. Verknüpft man Online- und Offline-Kampagnen miteinander, können ihnen über das Smartphone am Point of Sale noch zusätzliche Angebote aus dem Onlineshop ausgespielt oder sie auf Offline-Aktionen im Shop aufmerksam gemacht werden.
Die Technologie ließe sich inklusive des SDK in jede beliebige App einbauen, zum Beispiel in die eines großen Möbelhauses. Stellen wir uns vor, wie ein User nun durch die Ausstellungsräume eines Geschäfts schlendert . Dank ACR erkennt das Mobile Device, dass es sich in einem lokalen Shop aufhält und kann durch die unterschiedlichen Watermarks an verschiedenen Soundschnittstellen lokalisiert werden. Die Technologie erkennt dabei genau, in welchem Gang sich das Smartphone gerade befindet und kann so gezielte “Shopping-Tipps” oder passende Einrichtungsvorschläge zur Verfügung stellen und den User beispielsweise für einen passenden Coupon qualifizieren.
Mit ACR in eine nutzerfreundliche Zukunft
Kontext- und Umgebungsanalysen werden die derzeitigen Targeting-Strategien rund um IDs und Cookies nicht gänzlich ersetzen können. Im Interesse der Nutzer:innen sollte dennoch das Ziel sein, verfügbare Maßnahmen und Alternativen stetig zu verbessern. In diesem Sinne eröffnet ACR neue Chancen, Nutzer:innen in ihrer Umgebung besser zu verstehen und nah an ihren Bedürfnissen zu sein. Der Fantasie sind bei den vielseitigen Einsatz- und Ausspielungsmöglichkeiten keine Grenzen gesetzt.
Francois Roloff
Geschäftsführer
madvertise Media
francois.roloff@azerion.com