11. & 12.03.2025 in Hamburg

Aufmerksamkeitsökonomie reloaded.

Peter Kabel, CogniWerk.ai

Die Welt der Werbung wird seit jeher beherrscht von den Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie: Je länger und intensiver eine (mediale) Botschaft die menschliche Aufmerksamkeit bindet, desto höher das Potenzial, daraus einen wirtschaftlichen Gewinn und Convers ion zu ziehen. Generative AI hat das Zeug, die Statik dieser Gleichung massiv zu verändern: Die Kosten zur Erstellung von Medien sinken dramatisch, die Folge wird ein Tsunami - ähnliches Anwachsen der Medienproduktion sein. Da sich die menschliche Aufmerksam keit aber nicht vermehren lässt, verändert sich naturgemäß der Wert der Aufmerksamkeit. Ein Phänomen, das uns bereits mit dem Aufkommen von Social Media bekannt ist, mit Generativer AI nun allerdings einen echten Turbo bekommen wird. Neben den Kosten spie lt natürlich die Qualität der produzierten Medien eine erhebliche Rolle. Zumindest oberflächlich betrachtet, bringt AI eine erhebliche Qualitätssteigerung in der Breite mit sich. Visuals können selbst von Laien photorealistisch erstellt und modifiziert wer den. Unerfahrene werden in die Lage versetzt, Texte zu schreiben, wie Erfahrene. Wenn allerdings alle ordentliche Qualität liefern, wird es umso bedeutender, erneut Herausragendes, Überraschendes und Überzeugendes zu schaffen, um nicht im Einheitsbrei imme r gleicher, einigermaßen seelenloser Bilderfluten unterzugehen. „Boah ey - hast’e auch schon das neueste Midjourney?“.

Kreativindustrie revived

Entgegen der Unkenrufe, die den Untergang der professionellen Kreativen prophezeien, gab es vermutlich nie e ine interessantere Zeit für Texter, Designer und Visual Artists aller Disziplinen. Soziale Fähigkeiten, wie das Erkennen kultureller Zusammenhänge und Erwartungshaltungen zu modulieren, können durch den Einsatz von Creative AI Tools erhöht werden. Weiterhi n kommt es auch auf die Werkzeuge an. Wer seine kreativen Entscheidungen an eine Alles - is - easy - AI delegiert, wird von der AI selbstverständlich ersetzt werden. Wer allerdings AI - Werkzeuge einsetzt, die die Kontrolle weitgehend in den Händen der Kreativen l ässt, wird im Generativen AI - Tsunami zweifellos bestehen. Auftraggeber:innen sollten daher auch eher die Chancen zu erheblich qualitäts - gesteigertem Output erkennen, als auf die Kostenreduktion setzen: „Das macht doch jetzt alles die AI, dafür müssen wir sie jetzt nicht mehr bezahlen...”. Wirksame Kreation wird im neuen Zeitalter eher wichtiger wird und nicht notwendigerweise billiger, denn am Ende der Abwärtsspirale der Preise gibt es nur Beliebigkeit. Nicht nur im Wert von Kreativarbeit verändert sich das Gefüge der Aufmerksamkeitsökonomie, sondern natürlich auch im Feld von Distribution und Media. AI wird selbstverständlich dazu führen, dass Menschen sich von digitalen Agenten begleiten und in vielerlei Hinsicht auch abschotten lassen werden. Spamfilter a uf Basis von AI werden nicht nur unerwünschte Medien herausfiltern, sondern ganze Entscheidungsfunnels und Geschäftsvorgänge übernehmen.

Media empowered

Natürlich stehen auch Marken, Medien und Planer:innen neue mächtige Werkzeuge zur Verfügung. Das Sam meln von Datenpunkten über menschliche Affinitäten wird sich qualitativ, aber auch quantitativ massiv beschleunigen. Und die Anforderungen an Data - Modeling und übergreifende Insights wachsen erheblich. Nicht nur bei der Sammlung und Verarbeitung von Daten, sondern auch bei den AI - gestützten Möglichkeiten der Personalisierung von Medien und Botschaften gibt es neben aufmerksamkeitsökonomischen Fragen sicherlich auch wichtige ethische Fragen, über die sich Akteur:innen in der Industrie vermutlich besser vorau sschauend Gedanken machen sollten. Die Manipulationsmöglichkeiten durch hochgradig personalisierte Distribution und ebenso personalisierte, in Echtzeit erstellte Medien sind überaus mächtig. Allerdings entsteht genau daraus auch erhebliche Verantwortung. Subliminale Botschaften beispielsweise können natürlich auch im politischen Diskurs von Wahlkämpfen etc. eingesetzt werden und bergen ein erhebliches Schadenspotenzial. Kleine Videosequenzen, bei denen die Darsteller:innen die Lebenswelt des jeweiligen Med iennutzenden in Echtzeit nachbilden, sind zwar noch ein paar Monate vom massenhaften Einsatz entfernt, aber absolut denkbar. Fragen der Echtheit und Authentizität sowie der Verantwortung für KI - generierte Inhalte werden immer drängender. Diversität und die unvermeidbare Voreingenommenheit der KI - Modelle sind ebenfalls besorgniserregende Aspekte.

Anschnallen, die Fahrt beginnt!

AI ist nichts anderes als eine weitere Beschleunigung - Stufe der bereits seit einigen Jahren rasant verlaufenden digitalen Transfor mation. Alles wird AI, wie alles digital ist. Daher nichts neues. AI werden Dinge ohnehin nur so lange genannt, solange sie noch nicht perfekt funktionieren. Die erneute Beschleunigung verändert allerdings die Welt im Zentrum menschlichen Seins: der Aufme rksamkeit. Die Medien - und Kreativindustrie muss sich auf einen Time Warp ungekannten Ausmaßes gefasst machen mit ungekannten Chancen.

Peter Kabel, CogniWerk.ai



Peter Kabel, CogniWerk.ai

Peter Kabel
Geschäftsführer
CogniWerk.ai