11. & 12.03.2025 in Hamburg

Programmatic Advertising - mehr Transparenz bitte - Dr. Dominik Matyka, DMEXCO / Cavalry

Dr. Dominik Matyka, DMEXCO / Cavalry

Der Werbeanteil im Online Marketing für Programmatic Advertising steigt. Doch kaum einer versteht die Prozesse oder Pricing Modelle wirklich. Die Branche braucht mehr Transparenz, sonst bleiben Strategien, Steuerung aber auch Innovationen im Dunklen.

Im digitalen Marketing ist Programmatic Advertising schon seit einigen Jahren eines der großen Trendthemen. Schließlich spart der automatisierte, datenbasierte Einkauf von Werbeflächen sowie die datenbasierte Ausspielung enorm viele personelle und zeitliche Ressourcen ein. Zudem erlauben große Datenmengen ein sehr granulares Targeting. Mittlerweile ist Programmatic Advertising für Werbetreibende ein unverzichtbarer Weg, ihre Botschaft effizient und zielgruppengenau zu steuern.

84 Milliarden US-Dollar werden laut einer Prognose der Mediaagentur Zenith 2019 im Bereich Programmatic Advertising von Werbungtreibenden umgesetzt. Das sind 65 Prozent all ihrer Ausgaben für Werbung im digitalen Marketing. Für 2020 sollen die Ausgaben sogar auf 98 Milliarden US-Dollar ansteigen. Tendenz weiterhin steigend, auch in Deutschland. Laut einer aktuellen DMEXCO-Trendumfrage mit 854 nationalen Teilnehmern aus der DMEXCO-Community messen bereits 41,08 Prozent Programmatic Advertising im operativen Tagesgeschäft eine relativ hohe Bedeutung zu. Zenith prognostiziert für 2019 Werbeausgaben von 1,9 Milliarden Euro und 2020 soll dieser Wert nochmal um 0,6 Milliarden Euro steigen. Doch wo große Summen fließen und Prozesse nicht leicht nachvollziehbar für alle Beteiligten sind, treten auch schnell kritische Stimmen auf den Plan.

So wird derzeit der Ruf nach Transparenz – vor allem hinsichtlich der Kosten, Aufwendungen und Algorithmen – lauter. Aus Verbrauchersicht teilweise nachvollziehbar, schließlich klingt Programmatic Advertising in der Theorie zielführend, doch in der Praxis muss sie auch das gewünschte Resultat liefern. Stichwörter wie “AdFraud”, also das Vortäuschen von erbrachter Werbeleistung bzw. Werbeleistungen, die nicht bei der vorher definierten Zielgruppe ankommen, schüren Unsicherheiten. So befürchten Werbetreibende nicht nur versteckte Kosten und nicht nachvollziehbare Aufschläge beim Datenzukauf. Sie machen sich auch Sorgen darüber, dass die gemeldeten Klickzahlen von Bots generiert wurden, ihre Videos auf Flächen laufen, die keiner ansieht oder ihre Werbung dort ausgespielt wird, wo sie nicht hinpasst bzw. auf Fake-News-Seiten oder anderen nicht Image-förderlichen Seiten ausgespielt wird. Mit der Buchung von Programmatic Advertising geben Werbetreibende auch immer ein Stück weit die Kontrolle über die Platzierung ihrer Kampagne aus der Hand. Ein Zustand der einigen den Schweiß auf die Stirn treibt.

Prozesse und Algorithmen müssen sichtbar werden

Werbetreibende wollen und müssen Programmatic Advertising und die damit verbundenen Prozesse und Inhalte nachvollziehen können. Agenturen sollen durch vereinfachte Erklärungen zu systemischen, technischen und preislichen Zusammenhänge Unsicherheiten abbauen. Der Erfolg von Kampagnen im Programmatic Advertising hängt von einem komplexen Geflecht unterschiedlichster Faktoren ab. Für Außenstehende oder Neueinsteiger ist das ohne Hilfe nicht durchdring- und erfassbar.

Das führt dazu, dass gerade große Unternehmen viel Geld investieren, um sich intern umfangreiches und genaues Online-Marketing-Wissen aufzubauen. Und dieses wird nicht nur genutzt, um die Prozesse zu durchblicken oder bessere Briefings für Agenturen verfassen zu können. Langfristig kann so der Wechsel zum Inhousing erfolgen. Und das dieser Trend sich bereits abzeichnet, zeigt eine Untersuchung des Interactive Advertising Bureau (IAB) aus März 2019. Doch dabei es geht es nicht nur darum, dass Kompetenz und Wissen eine Agentur überflüssig macht. Inhousing ist auch ein Misstrauensbeweis seitens des Werbetreibenden gegenüber den Agenturen. Durch selbst gesteuerte Programmatic Advertising Kampagnen erlangen Werbetreibende die volle Transparenz über Einkaufspreise und Aussteuerung zurück.

Und was bedeutet das für die Agenturen? Für eine bessere Kundenbindung, sollten sie mehr auf die Bedürfnisse der Werbetreibenden achten: Einfache Reports mit Klickzahlen am Ende der Kampagne reichen da meist nicht mehr aus. Sie müssen sich zu Transparenz und Offenheit verpflichten. Um diesen Prozess anzutreiben, hat der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) im vergangenen Jahr eine Prüfroutine vorgelegt, die es Agenturen ermöglicht, sich zertifizieren zu lassen. Geprüft werden unter anderem die technische Ausrüstung, personelles Wissen und der strategische Sachverstand. Dazu müssen Agenturen Fallstudien einreichen, in denen nicht nur Ergebnisse, sondern auch Rechenwege nachvollziehbar sind. An sich eine gute Sache möchte man meinen. Große Agenturen bekommen die Möglichkeit, sich vom Wettbewerb abzusetzen und kleine Agenturen können mehr Sichtbarkeit im Markt erlangen. Doch bisher ist die Inanspruchnahme noch recht gering.

Doch woran liegt das? Braucht es noch mehr Druck von Seiten der Werbetreibenden oder ist der Wunsch nach Transparenz nicht auf Seiten der Agenturen vorhanden? Es scheint fast so. Planung und Optimierung von guten Programmatic-Advertising-Kampagnen ist ein sehr aufwändiger und detaillierter Prozess. Dabei gilt: Je mehr Details offengelegt werden, um so leichter werden Schwachstellen in der Umsetzung sichtbar und Optimierungen können erfolgen. Denn Programmatic Advertising liegt durch die stetig fortschreitende technologische Entwicklung kein festgesetztes Schema zugrunde, sondern stetige Trial-and-Error-Prozesse.

Das Thema Transparenz ist vielschichtig und erfordert sowohl auf Seiten der Agenturen als auch Werbetreibenden die Bereitschaft zum Risiko und eine offene Fehlerkultur. Mehr Transparenz kann nämlich für Werbetreibende auch bedeuten, dass die Zahlen offen legen, dass sie einen Fehler in ihrer Vorabplanung oder dem Briefing gemacht haben und nicht die Agentur. Und das im Anschluss auch zuzugeben, gehört ebenso zur Forderung nach mehr Transparenz. Der Beweggrund sollte also nicht der Wunsch nach einer nachvollziehbaren Preisgestaltung sein, sondern der Wunsch nach einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

DSGVO befeuert gesellschaftliche Diskussion um Umgang mit Daten

Lange war der Umgang mit Daten allgemein sehr intransparent. Das hatte nicht nur Einfluss auf die Beziehungen und Zusammenarbeit innerhalb der Digitalbranche. Auch am Vertrauen der Privatnutzer gegenüber der Branche wurde extrem gerüttelt. Ich stehe daher sicherlich nicht alleine da, wenn ich sage, dass Datenschutz ein absolut berechtigtes Anliegen ist. Die DSGVO und ePrivacy haben schließlich dazu geführt, dass die Gesellschaft stärker über den Umgang mit Daten diskutiert. Die oberste Pflicht der Digitalbranche ist es jetzt, das Vertrauen der Privatverbraucher aufrechtzuerhalten.

Die DSGVO ist ein wichtiger Schritt, denn sie bietet einen rechtlichen Rahmen, in dem sich selbst der sorgloseste Nutzer „sicher“ fortbewegen kann, denn sie schreiben Unternehmen strengere Richtlinien bei der Nutzung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten vor. Welche Daten werden erhoben? Wie lange werden diese gespeichert und wie werden sie verarbeitet? Privatnutzer müssen sich sicher sein können, dass mit ihren Daten respektvoll und vertraulich umgegangen wird. Viel zu oft ist das Thema Datenerfassung negativ konnotiert. Oft wird befürchtet, dass Massen an personenbezogenen Daten scheinbar sinnlos gesammelt und gespeichert werden. Die große Befürchtung: Das Internet weiß mehr über mich, als der engste Familien- und Freundeskreis. Dabei sind Daten nach wie vor wichtig, denn im digitalen Marketing läuft nichts ohne qualitativ gute Daten. Verbraucher müssen jedoch wissen, wofür ihre Daten erhoben werden. Der Nutzen sollte für sie anfassbar kommuniziert sein. Sprich, man muss generell viel transparenter kommunizieren, wer welche Daten erhebt und wofür sie ausgewertet und eingesetzt werden. So profitieren sowohl der Verbraucher, als auch die Unternehmen. Durch personalisierte Angebote mit einer guten User Experience bauen Unternehmen ihre Marktpositionen aus, während Menschen von individuell auf sie zugeschnittenen Angeboten profitieren. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Dr. Dominik Matyka, DMEXCO / Cavalry

Dr. Dominik Matyka
Chief Advisor DMEXCO / Cavalry
dominik.matyka@dmexco.com